Amma, die Knuddel-Frau …

… haben wir diese Woche gefilmt – und sind dabei eingetaucht ins pays des bisounours, das Glücksbärliland.

Pontoise ist nicht gerade das Zentrum der Welt. Anderthalb Stunden dauert die Anreise von Mittel-Paris bis in den nördlichen Vorort der französischen Hauptstadt. Mit großer Fernsehkamera und gefühlt tonnenschwerem Stativ kommen wir drei Mädels schließlich dort an, vor der Lagerhalle, in der die indische Mahatma Amma, eine angebliche wiedergeborene Göttin, ihre Anhänger um sich schart.

Von vorne bis hinten durchorganisiert ist die Veranstaltung: Eine der zwei Hallen ist ein riesiger Essensbereich mit zahlreichen Fressbuden. Die Hälfte der Haupthalle ist mit Schmuck-, Kleidungs- und Souvenir-Ständen zugepflastert. Auf der Bühne daneben summen und wippen rund 20 bestimmt extra dafür eingeflogene Inder vor sich hin, versetzen die Hunderte an wartenden Anhängern in Trance, schon bevor sie an der Reihe sind für die berühmte Amma-Umarmung. Die spendet angeblich Liebe und Geborgenheit, heile teilweise sogar Krankheiten. Im zarten Alter von sieben Jahren soll die Inderin mit ihrer spirituellen Lebensweise begonnen und ihre Familie damit zur Weißglut gebracht haben, dass sie Essen und Schmuck ihrer selbst sehr armen Familie an Besitzlose verschenkte. Jetzt gerade tourt die Mahatma durch Europa.

„Wie, Sie haben nicht vorher bei uns angerufen?“ fragt die Pressesprecherin pikiert, die etwa in meinem Alter ist. „Dann müssen wir mal gucken, ob Filmen überhaupt möglich ist“, fügt sie hinzu und sagt, wir sollten sie in 30 Minuten auf dem Handy anrufen, könnten jedoch bis dahin unsere Materialien im „Presseraum“ lassen – einem durch dünne Plastikwände und Tücher abgetrennten Bereich, in dem ein paar Klappstühle und -tische stehen. Auf Letzteren liegen Amma-Biographien.

Wir düsen also in Richtung Essbereich. Während meine Mitwohni und -studentin Sarah sich mit unserer Kamerafrau Emmanuelle in die Warteschlange für Reis mit indischen Gemüsesoßen anstellt, kaufe ich Reissalat und Kuchen an einer anderen Theke.

„6,50 Euro“, sagt mir die rund 70-jährige Kassiererin mit dem hier üblichen harmonischen Lächeln. „Äh“, antworte ich fragend, „kostet denn der Reissalat nicht 4,50 und der Kuchen einen Euro…?“ „Ja“, bestätigt die Dame, als ob wir einer Meinung wären und sagt: „5,50 Euro.“ Ich strecke ihr sechs Euro entgegen, sie gibt mit 1,50 Euro zurück. Mit einem dem Ihrigen nachempfundenen Lächeln schiebe ich einen Euro wieder zurück über die Theke – und frage mich heimlich, ob die Organisatoren wegen dieser so zuverlässigen menschlichen Rechenmaschine wohl unter dem Strich mehr oder weniger als vorgesehen einnehmen …

Eine Stunde später stehen wir – endlich mit laufender Kamera – auf der Bühne, inmitten der Summer und Singer. Die Pressesprecherin beobachtet uns mit kritischem Blick, fragt fast im Minuten-Takt, wieviel Zeit wir denn noch brauchen. Schließlich gibt sie uns eine knappe Stunde, was in Fernseh-Dimensionen nicht wirklich viel ist für eine Reportage von anderthalb Minuten.

Etwa ein Meter unter uns knuddelt Amma, was das Zeug hält – so als ob sie die Fremden in ihren Armen schon seit Ewigkeiten kenne. „Sie ist die Mutter, die ich nie hatte“, erzählt uns später einer der Spirituellen mit entrücktem Blick, verliert sich dann in halb-schlüssigen Erklärungen über seine verlorene Kindheit. Ein anderer Amma-Anhänger erklärt, die Inderin würde ihm helfen, sich selbst in Frage zu stellen. Während wir ihn interviewen, sitzen seine zwei indischen Kinder neben ihm und nicken.

Die Weihrauch-Luft, die die Halle füllt, die indische Musik im Hintergrund und all die vor Zufriedenheit lächelnden Menschen schlagen uns langsam auf die Sinne. Sarah fängt leise an, mitzusummen, wippt im Takt hin und her. Ich kann mich gerade noch zurückhalten.

L.

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About Lisa (ich selbst)

Huhu! Ich bin Lisa. Seit 2005 wohne ich nun im schönen, kleinen Paris. Schön ist's hier, nette Leute gibt's und viele lustige Dinge passieren. Aber - lest doch einfach selbst... L.