Ein kubanischer Salsa-Sturm…

…hat mich sprichwörtlich hinweggefegt vergangenes Wochenende. Auch wenn Kuba eigentlich in Frankreich liegt und Salsa der Deckname für Pétanque ist.

Eine Freundin von mir sagt immer, dass Kater-Zustände mit dem Alter schlimmer werden. Ich kann das  nicht bestätigen – bei mir waren sie schon immer schlimm. Deswegen versuche ich, selten und wenn doch, dann gemäßigt zur Flasche zu greifen – bin ich mir der Nachwehen meines Genusses doch immer bewusst …

Dennoch brummt mein Kopf leicht von unserer Haus-Party am Vorabend, als ich vergangenen Samstag gemeinsam mit Freunden von mir und (Möchtegern-)Freunden des Salsas in der Pachanga-Bar möglichst beschwingt über die Tanzfläche hüpfe. Für 10 Euro kann man dort an einem Massen-Kurs teilnehmen, diesmal angeleitet von Herminio – einem muskelbepackten, hyperaktiven und immer grinsenden Kubaner.

„Wer macht hier den Abwasch?“ schreit der plötzlich, stampft mit dem Fuß auf dem Boden auf und ballt gleichzeitig die rechte Faust. „Wir!“ brüllen die Männer der zwei Menschenkreise zurück (und mein Kopf vibriert) – diesmal hörbar entschlossen, endlich die Hosen wieder anzuziehen und die Frauen genauso elegant aber bestimmt über die Tanzfläche zu schieben und zu ziehen wie der kubanische Salsa-Gott in unserer Mitte.

Das klappt nur bei jedem dritten meiner Tanzpartner (so halbwegs), die ich im Jerusalem-Reise-Stil alle zwei Minuten wechsle. Ansonsten bin eher ich es, die (versucht zu) führ(en)t.Doch der Spaß hat schnell ein Ende – ehe ich mich (noch weiter) vertanze, ist die erste Stunde, die des Anfängerkurses, auch schon vorbei, und die Fortgeschrittenen erobern das Parkett.

So stelle ich mit meinem deutsch-französischen Salsa-Team an den Rand und schlürfe zufrieden einen Piña Colada (ach, was solls – auf einen Katertag mehr oder weniger kommts jetzt auch nicht mehr an…). Da fällt mein Blick plötzlich auf den 1,90m-großen, schlanken Mitdreißiger vor uns, mit Pétanque-Mütze und halb aufgeknöpftem, weißem Hemd. Wie eine brasilianische Karnevalstänzerin wackelt der seine Salsa-Partnerin mit der Brust an, schiebt den Unterkiefer nach vorne und wirft ihr feurige Blicke zu. Echt kubanischer Salsa soll das wohl sein – meine persönliche These geht eher in Richtung unterdrückte Sehnsucht nach einer Geschlechtsumwandlung.

Doch Brüste hin oder her, Herminio hat inzwischen wieder seinen Platz eingenommen, in der Mitte der Meute, und schreit humorvoll die nächsten Schrittfolgen in den Raum. Ganz schön zackig geht das, denke ich mir nur aus der Entfernung, nicht so wie in meinem guten alten deutschen Tanzkurs in der 9ten Klasse. Und ich bin froh, mich an meinem Cocktail-Glas festhalten zu können.

Doch meine Rettungsboje wird plötzlich hinweggespült, von einem kubanischen Sturm: Herminio steht vor mir, sagt in spanzösisch, dass irgendein Mann mich braucht, stellt mein Glas zur Seite und zieht mich durch die Menge zu der armen, verlassenen Tanzseele. Der wünscht sich mit Sicherheit spätestens nach zwei Minuten, doch allein geblieben zu sein. Denn ich stolpere nur neben ihm her, ohne auch nur im Geringsten die Tanzschritte zu kennen.

Aber ich halte durch, tapfer, und vertraue auf meine autodidaktischen Fähigkeiten – bis Partner Nummer drei (auch in diesem Kurs gilt das Reise-nach-Jerusalem-Prinzip) vor mir steht: der kubanische Pétanque-Sp.. ääh.. Salsa-Tänzer (der übrigens genauso käsig weiß ist wie ich). Auch mir wirft er zunächst feurige Blicke zu, bis er, nach etwa 20 Sekunden, mein nicht vorhandenes Tanzniveau evaluiert hat und – zu tanzen aufhört. Ich warte, gucke ihm zu, wie er an seinem Gürtel herumwerkelt, warte weiter. Doch irgendwann steht er nur noch da, findet keine andere Beschäftigung mehr an sich und guckt demonstrativ in die andere Richtung.

Ich bin sprachlos über so viel Unfreundlichkeit, schlurfe nach meiner (bewegungslosen) Zeit mit ihm zum nächsten Tanzpartner – der mich schon ganz zweifelnd anguckt. Ich lächle versucht strahlend, chakare mir innerlich zu und attackiere von Neuem die mysteriösen Salsa-Schritte. Mein jetziger Tanzbär hört zwar nicht mitten in der Salsa-Bewegung auf, doch begleitet unser Salsa-Date ein tiefes Stirnrunzeln, das mir direkt in die Augen strahlt. Und als ich ihn irgendwann kleinlaut frage, ob er mir vielleicht kurz das Prinzip des aktuellen Tanzschritts erklären kann, guckt er mich nur an, atmet verächtlich aus und sagt :“Das kann man nicht erklären. Das ist Tanzen.“

Da steht mir das kubanische Wasser bis zum Hals und ich paddle von der Tanzfläche – in Richtung meiner Rettungsboje.

L.

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About Lisa (ich selbst)

Huhu! Ich bin Lisa. Seit 2005 wohne ich nun im schönen, kleinen Paris. Schön ist's hier, nette Leute gibt's und viele lustige Dinge passieren. Aber - lest doch einfach selbst... L.