Französische Banken…

…sind schon so eine Sache für sich. Und nicht jedermans Geschmack.


Ich kenn das ja so von zuhause: Der Raum ist ein Open Space, mit lauter Stehtischen, hinter denen meist strahlende Angestellte stehen. Kommt ein Kunde herein, empfangen sie ihn mit fast sprichwörtlich offenen Armen. Und auf die Frage „Kann ich bei Ihnen ein Konto eröffnen“ folgt ein „Ja, natürlich – dafür bräuchte ich nur Ihren Ausweis“.  Wer Gedanken lesen kann, hört dann meist den inneren Jubelschrei des Bankangestellten.

Nicht so in Frankreich. Hier sieht das Szenario folgendermaßen aus: Eine Bankfiliale irgendwo im Zentrum von Paris. Für den Kunden erreichbar ist nur der Empfangsdesk, hinter dem sich ein/e misstrauisch blickende/r Angestellte/r verbirgt. An Deutschland gewöhnte potenzielle Neukunden treten meist mit einem Strahlen an diesen Empfangsdesk heran – voller Selbstbewußtsein und Vertrauen darauf, dass sie mit Sicherheit nur 10 Minuten später über ein niegelnagelneues französisches Konto verfügen. Falsch gedacht. Denn als der oder die Angestellte mit dem misstrauischen Blick den fremdländisch anklingenden Akzent des abzuwimmelnden Neukunden hört, weicht er mit seinem Rollstuhl leicht zurück. Sein Kopf presst sich noch weiter in seine Schultern hinein. Gedankenleser können in diesem Moment die Alarmglocken in den Ohren des Konto-Nichtverkäufers bimmeln hören.

„Dafür müssen Sie erst einmal ein Rendez-vous verabreden“, wird die erste hörbare Antwort des Monsieurs oder der Madame sein. Und hinzugefügt wird meist in etwa ein „Dienstag in zwei Wochen von 14.45 bis 15.15h?“.

Etwas verdattert lässt sich das deutsche Schäfchen meist auf diesen Handel ein, annuliert alle möglichen anderen Vorhaben an diesem Tag (man könnte ja zum Beispiel arbeiten) und steht pünktlich wie sich das gehört in zwei Wochen wieder auf der Matte. Nur um dann zu gesagt zu bekommen – „Na, dafür brauchen sie jetzt aber eine Rechnung – zum Beispiel für Strom – von Ihrem Vermieter und eine Bestätigung, dass Sie auch dort wohnen“. Hat man diese überraschenderweise brav herbeigebracht, kommt eventuell noch ein „Nein, das reicht jetzt aber nicht – könnte Ihr Vermieter bitte auch vorbei kommen?“. Zumindest war dies bei mir der Fall. Einziges Problem: Mein Vermieter wohnte in Israel. Eine Tatsache, die die Bankkonto-Nichtverkäuferin wenig beeindruckte. Ergebnis: Ich ging ein paar Häuser weiter zur nächsten Bank, die etwas flexibler in diesem Punkt war. Denn die Bankangestellten kannten meine Vermieterin persönlich.

Nun ist dies ja nun schon einige – um genau zu sein, sieben – Jahre her. Und vielleicht macht auch nicht jederman eine solche Erfahrung im Land des frischen Baguettes und guten Weins. Doch haben mir nicht wenige Expats über die Jahre – für die Franzosen gehört diese Bürokratie-Mentalität ja längst zur Normalität – ähnliche Geschichten erzählt.

Und – das ist erst der Anfang. Denn viel schwieriger als die Kontoerstellung kann erst die KontoAUFlösung werden. So war das zumindest bei mir.

Wieder einmal zog ich von einem Teil in Paris in einen anderen um, wollte entsprechend meine Bankfiliale wechseln. Problem: Meine Bank ist die einzige, bei der der Südpariser Teil völlig getrennt vom Nordpariser Teil ist. So musste ich also ein komplett neues Konto eröffnen. Und mein altes Konto auflösen. Wenn das mal so einfach wäre.

Anlauf Nummer eins. Fast voller Zuversicht – etwas hab ich ja nun über die Jahre gelernt – laufe ich in meine doch relativ Open-Spacige Bankfiliale hinein. Natürlich habe ich vorher einen Termin gemacht. Und mit einem Handeschütteln begrüßt mich mein persönlicher Berater. „Das trifft sich ja gut, dass Sie vorbeikommen“, sagt er mit einem Zahnpasta-Lächeln. „Ich wollte Ihnen nämlich sowieso ein paar Produkte anbieten.“

„Äh“, antworte ich etwas verlegen, „Ich…ähm…bin eigentlich hier, um mein Konto aufzulösen, weil ich doch umgezogen bin…“

Das Zahnpasta-Lächeln erlischt. „Sind Sie da sicher?“, fragt der Mann und fügt mit eindringlichem Blick hinzu: „Sie müssen das ja nicht gleich sofort auflösen…wir können ja stattdessen die Kontogebühren auf ein Minimum senken und so denken noch einmal drüber nach…“

Ich bin verdattert, mache noch ein oder zwei leise Anläufe, um meine Bankkarte doch abzugeben, und gebe dann auf. Denn ich sehe: Widerstand ist zwecklos.

Anlauf Nummer zwei. Jetzt aber, denke ich, als ich die Bankfiliale betrete – circa ein halbes Jahr später. „Oh, das trifft sich gut“, strahlt mich mein Bankberater wieder an. „Ich wollte Ihnen gerade ein paar Produkte anbieten, in die sie vielleicht investieren könnten…“

„Aber Sie wissen doch, dass ich mein Hauptkonto gar nicht hier habe“, mache ich einen Abwehranlauf.

„Jaja, aber das macht ja nichts“, antwortet er und schon setzt er an zu einem – zugegebenen ziemlich interessanten – Vortrag über mehr oder weniger flexible Sparpakete meiner (fast) Ex-Bank.

„Wirklich sehr interessant“, sage ich am Ende seiner Erklärungen, füge aber hinzu. „Sofort wollte ich diese Entscheidung jedoch nicht treffen – und in der Zwischenzeit würde ich auch gerne mein Konto bei Ihnen auflösen.“

Da verdunkelt sich seine Miene. Er rutscht leicht unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Und sagt dann, fast flüsternd: „Aber… Sie wissen schon, dass, sollten Sie in der Zukunft entscheiden, Sie wollen doch bei uns anlegen, wir in diesem Fall nein sagen könnten…“

Verdattert bin ich. Schon wieder. „Wie – Sie würden also nein sagen, wenn ich bei Ihnen Geld anlegen will – also, im Klartext, Sie Geld mit mir verdienen würden – sollte ich vorher bei Ihnen mein Konto aufgelöst haben?“ frage ich ungläubig. Ich gucke mich um nach der versteckten Kamera, entdecke aber nur eine Überwachungskamera. Ganz und gar nicht versteckt. Im Rest der Filiale arbeiten die Angestellten weiter, als sei nicht gewesen. Business as usual.

„Ja“, fügt er – wieder halb flüsternd – hinzu. „Wir sehen die Sache eben als ganzheitliches Paket…“

Fünf Minuten später taumele ich aus der Bankfiliale hinaus. Geschockt. Mein Konto hab ich immer noch.

Anlauf Nummer drei. Diesmal ist es aber soweit – das Ende meines Konto naht, sage ich mir innerlich voller Überzeugung. Den Anfang kennen wir ja schon. Handedrücken. Zahnpasta-Lächeln, mit hoffnungsvollem Blick – vielleicht legt sie ja diesmal Geld bei uns an…?

„Ich würde gerne mein Konto auflösen“, sage ich mit felsenfester Stimme. „Denn ich verlasse das Land.“

„Aha“, erwidert er. Jetzt ist er etwas verdutzt. „Wohin gehts denn?“

„Zurück nach Deutschland“, sage ich. Die Bestätigung, dass ich wieder bei meinen Eltern wohnen werde, habe ich zur Sicherheit in der Tasche – sollte er mir nicht glauben.

Danach kommen allerhand anderer Fragen: Was machen Sie denn da? Sind Sie noch ab und zu in Frankreich? (woraufhin ich ja sage – es könnte ja sein, dass ich ihm mal in der Stadt – die ich übrigens keinesfalls verlasse – über den Weg laufe) Und: Lösen Sie dann auch das Konto bei unserer Partnerbank auf? Woraufhin meine Alarmglocken auf voller Stärke bimmeln (sind die beiden eventuell vernetzt und kann er das einsehen?). Ich murmele „Äh, ja, das kommt noch…“

Nach etwas zehn leicht marternden Minuten trete ich aus der Bank auf die Straße hinaus. Mit einem Konto weniger!

Hurra! schreie ich innerlich. Wie das einmal werden soll, wenn ich irgendwann einmal einen Kredit für einen Wohnungskauf in Paris beantragen will, will ich mir gar nicht erst ausmalen. Aber vielleicht bin ich ja bis dahin schon längst ausgewandert.

L.