Nestrückkehr …

… gleichzeitig die Ankunft der neuen Journalisten-Küken hat mein Jahrgang gestern in meiner Schule gefeiert. Ein zunächst charmanter Abend, dessen Reiz im Alkohol versank …

„Den kauf ich mir“, sagt Céline mit knirschenden Zähnen und zeigt auf einen „Cinquième Année“, einen Studi „aus dem fünften Jahr“. So nennen wir Journalisten-Schüler, die unsere zwei Jahre dauernde Schule im Jahr 2007 abgeschlossen haben.

Es ist ein Uhr morgens, eigentlich sollten wir die Räume vor anderthalb Stunden verlassen haben. Der Grund: die Alarmanlage. Seit halb zwölf sorgt sie so für einen leicht unangenehmen und -musikalischen Hintergrund. All die Heimgekehrten, Angekommenen und Sich-Dazwischen-Gedrängten stört das nicht. Sie wippen mittel bis stark betrunken zu lauter Dance-Musik durch einen unserer zur Tanzfläche umfunktionierten Lehrräume.

Und sie widerstehen allen Polizei-Versuchen von Céline, Raphaëlle und mir, die wir zwischen ihnen herputzen und aufräumen. Meine zwei Mit-Ameisen haben zudem die undankbare Aufgabe, das CFJ zu evakuieren – eine Aufforderung, der vor allem der Fünfte Jahrgang mit mehr oder weniger offensichtlicher Verweigerung begegnet.

„Jetzt sei doch nicht so“, sagt Célines Opfer und schaltet das Licht wieder aus, zum fünften Mal, damit die Party weitergehen kann. Voller Wut schlägt sie daraufhin auf den Lichtschalter, droht Monsieur mit dem Zeigefinger und sagt: „Toi – ta gueule!“ (Du, Schnauze!) Dann zeigt ihr Zeigefinger auf die Tür, ein Geste, die Mister Superheld unschlauerweise ignoriert. Halb-senil grinst er vor sich hin, streckt seine Hand wieder in Richtung Lichtschalter, nur um sich diesmal einen Schlag auf die Finger einzufangen von Céline, von der ich in jedem Moment erwarte, dass sie wild an zu knurren anfängt, die sich aber – wohl um ihrer und aller anderer willen – schlagartig umdreht und zur Tür hinausstürmt.

Eine Stunde später haben wir die Herde endlich nach draußen getrieben. Circa die Hälfte macht sich auf zum „Tambour“ – einer Bar um die Ecke, deren Preise ab 12 Uhr nachts schlagartig in die Höhe schießen: Anstelle von 3,50 Euro kostet ein Pastis dann 7 Euro!

Der junge, gar nicht mal schlecht aussehende Mann neben mir stört sich daran nicht, gießt mit einem zufriedenen Grinsen Wasser auf seinen Anis-Schnaps. „Und wo kommst Du so her?“ fragt er mich und nippt an seinem Glas. Als ich Deutschland antworte, nickt er nur zustimmend, stößt hervor: „Ja, das war mir sofort klar, dass Du keine Französin bist! Du klingst halt nicht wie eine von uns.“ „Charmant“, sage ich, „danke.“ „Wieso?“, entgegnet er, „man muss doch der Wahrheit ins Auge sehen!“ Dann stellt er sein Glas ab, hält mit Daumen und Zeigefinger seine Augenlider auseinander und schreit halb durch die Bar: „Die Augen öffnen, Du musst die Augen öffnen!!!“

Ich gucke ihn ungläubig an, nicke einmal langsam und wechsele das Thema.

Eine halbe Stunde später, gegen drei, sitze ich im Nachtbus, auf dem Weg nach Hause. „Und wo wohnst Du?“, sagt der Typ neben mir, den ich gerade am Verlorene-Seelen-Treff Nachtbus-Haltestelle kennengelernt hab. Er ist um die 30, hat lange, dunkelblonde Haare und Zigarettenatem. Ich sage ihm meine Métro-Station, er nickt, schweigt einen Moment. Dann hebt sich sein Kapuzenkopf wieder. Er dreht sich zu mir, stößt hervor, in meine Richtung blasend: „Und wie heißt Du?“ Lisa, antworte ich in einem (vergeblichen) Versuch, der zu mir rüberwehenden Windböe durch eine Kopfbewegung auszuweichen.

Mit meiner Antwort löse ich einen regelrechten Begeisterungssturm aus bei Tom, meinem Sitznachbarn: „Lisa, also Lisa wird mal meine Tochter heißen!“ sagt er und erzählt, wie toll er doch Lisa Simpson findet, ergeht sich in minutenlangen Schwärmereinen über diese (zugegebenermaßen sehr wohlklingenden 😉 ) vier Buchstaben.

Dann sinkt der Kapuzenkopf wieder nach unten, einige Momente herrscht Stille. Scheinbar döst er vor sich hin. Doch plötzlich tut sich wieder was unter der Kapuze, eine neue Frage kommt aus seinem Mund: „Wo wohnst Du?“ Und ich gucke ihn an, wiederhole meine Métro-Station, füge hinzu: „Genauso wie vor 2 Minuten.“

Beschämt packt er sich an den Kopf, murmelt, er sei gar nicht so betrunken, nur müde. Und fragt dann: „Und wie heißt Du nochmal?“ Ich lache nur, sage: „Lisa Simpson.“ Und die Röte steigt in sein Gesicht.

Das hindert ihn nicht daran, zu fragen: „Hast Du eine Telefonnummer?“ Ich gucke ihn nur ungläubig an, lasse mir seine Nummer aufdrängen, steige aus dem Bus und laufe nach Hause. Der Zettel mit der Nummer bleibt an der Bushaltestelle.

L.

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About Lisa (ich selbst)

Huhu! Ich bin Lisa. Seit 2005 wohne ich nun im schönen, kleinen Paris. Schön ist's hier, nette Leute gibt's und viele lustige Dinge passieren. Aber - lest doch einfach selbst... L.