Posh …

… bezeichnen die Briten piekfeine Dinge und Menschen – à la Victoria Beckham (deren Spitzname übrigens „Posh“ ist). Genauso könnte man den Klub bezeichnen, in dem ich gestern über die Tanzfläche gerockt bin – jedenfalls dann, wenn ich nicht gerade über meine Mittänzer gestaunt habe …

Mit leichten Schwierigkeiten laufe ich über den kopfsteinpflaster-artigen Bürgersteig in der Nähe des Londoner Greenparks: An Absätze bin ich nicht gewöhnt, kam heute Abend aber nicht um sie herum. Denn ich habe mich mit nur über Facebook mir bekannten Mädels zum Tanzen in einer der poshen Klubs der Stadt verabredet, der „Funky Buddha Lounge„. Leticia, eine Argentinierin hat zu einem ihrer Promotion-Abende geladen, wo Mädels freien Eintritt und Vodka bekommen.

Doch meine Drei-Zentimeter-Absätze sind Absätzchen im Vergleich zu den Zehn-Zentimeter-Stilettos, die die Mädels in der Schlange vor mir tragen, in der ich wenige Minuten später stehe. In ihnen und … äh … T-Shirts, ich meine kurzen (seeehr kurzen) Kleidern warten sie wie ich, bis die leicht monströsen Türsteher mit Knopf im Ohr uns in den erlesenen Klub lassen.

So tauchen wir ein in das Nachtleben der englischen Hauptstadt: Mit meinen Mädels im Schlepptau (die ich während meiner Wartezeit in der Schlange gesichtet habe) tripple ich die Treppe hinunter, in einen von Neon-Licht erleuchteten Raum, mit gestylten Kellnern, noch mehr Mädels in Stilettos und ohne Hose und Bodyguards, die am Rande der Tanzfläche das Geschehen fest im Blick behalten.

Wenig später sitzen wir an unserem Tisch. Leticia reicht uns Gläser halb voller Vodka, halb voller Erdbeersaft, dann bahnen die drei Italienerinnen, die Engländerin und ich uns unseren Weg auf die Tanzfläche. Zu Technomusik tanzen wir durch die Nacht, mit einer weiblichen Mehrheit um uns herum.

Junge Halbstarke in grauen Anzügen, meist schwarzen Lederschuhen, mit halb-offenen Hemden und ohne Brustbehaarung beobachten ihre potenziellen Opfer von der Bar aus, aus sicherer Entfernung. Von Zeit zu Zeit fahren sie sich durch das hochgegelte Haar, zucken mal mit dem Knie. Bei besonders guten Liedern halten sie einen Arm in die Höhe, kreisen mit der Faust durch die Luft, der Rest des Körpers bleibt steif.

Auch ich sichte ein potenzielles Opfer: Ein Mittzwanziger in erfrischenden Jeans, Turnschuhen und kariertem T-Shirt hüpft neben uns zu der elektronischen Musik. Genauso schnell wie ich ihn erspäht hab, ist er aber auch schon wieder verschwunden.

Becca, unsere englische Mit-Feiernde, versteht das jedoch falsch. Als ich ihr sage, „der ist süß“, denkt sie, ich zeige nicht auf ihn, sondern auf jemand anderes – zwei Jungs, die in der Nähe der Bar stehen, und nicht, wie mein Zielobjekt, in Null-Komma-Nix verschwunden sind. Meinem vehementen Widerspruch zum Trotz schiebt sie mich hinüber zu ihnen, und bevor ich mich versehe, steh ich da, sage „hi“ und weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll. Diese generelle „Hä?“-Stimmung übertragt sich auf meine Gegenüber, die zwar, in feiner englischer Art, auch „Hi“ sagen, lächeln und fragen „wie geht’s?“, mich dann aber angucken, als wären sie kurzsichtig und hätten ihre Brille vergessen. „Was will die nur?“ steht ihnen ins Gesicht geschrieben.

Weil ich das ja nun auch nicht weiß, stottere ich Belanglosigkeiten vor mich hin, versuche krampfhaft, ein normales, entspanntes Gespräch aufzubauen, was erst gelingt, als einer von ihnen sagt, er arbeite in der Windenergie-Industrie. „Oh“, rufe ich erfreut, „darüber hab ich grad ’nen Artikel geschrieben!“ Und ich überschütte ihn mit Fragen.

Wenig später rocke ich wieder über die Tanzflache, jegliche weiter Kommentare zu schönen Männern verkneife ich mir (so viele davon gibt’s ja nun auch nicht).

Als Becca und ich einige Stunden später in Richtung Piccadilly-Circus trotten – ich noch immer auf meinen inzwischen ziemlich ungemütlichen Schuhen, Becca hat ihre Stilettos gegen Ballerinas eingetauscht, die sie „immer in ihrer Handtasche mit sich herumträgt“. Damit ist sie nicht alleine: Eine ganze Schar von Mädels trippelt um uns herum über den Bürgersteig – alle entweder in Ballerinas oder aber barfuß. Die Stilettos halten sie in den Händen.

„Das war echt interessant“, sage ich zu ihr, „jetzt hab ich auch mal das poshe Leben Londons mitbekommen.“

„Naja“, antwortet sie. „Richtig posh ist was Anderes!“ Und sie erzählt mir von Prince-William-Bars wie dem Mahiki in der Nähe der Funky Buddha Lounge.

Ja, denke ich, da gehen wir das Nächste mal hin.

L.

Posted in Allgemein

About Lisa (ich selbst)

Huhu! Ich bin Lisa. Seit 2005 wohne ich nun im schönen, kleinen Paris. Schön ist's hier, nette Leute gibt's und viele lustige Dinge passieren. Aber - lest doch einfach selbst... L.