„Was is’n das für’ne Google-Maps-Version?“ …

… fragt mich der Internetfreak, als ich mein hochmodernes Startkartensystem aus der Tasche ziehe. Aus seinen Augen spricht der Neid. Zu Recht!

Die große Glastür vorne rechts wird in regelmäßigen Abständen weit aufgerissen, ein kalter Windzug fährt bei jedem Mal durch die Halle. Vorne auf der Bühne spricht Loïc Le Meur mit Paulo Coelho, einem der zahlreichen Internet-Stars (und ja, als solchen kann man den brasilianischen Schriftsteller und Blogger bezeichnen) von LeWeb08. Das ist die wichtigste Internetkonferenz Europas, und auch ich bin mit meinem kleinen Laptop aus Paris Mitte nach Paris Nordost angejuckelt gekommen. Unter all den kumpelhaften Internet-Unternehmern fühle mich gleich, als wär auch ich auf vollster technischer Höhe. Eine grobe Fehleinschätzung.

Um mich rum sitzen rund hundert Webfreaks an kleinen weißen Tischchen. Mein direkter Nachbar legt seinen BlackBerry neben den silber glänzenden Schlepptop. Davon geht ein USB-Kabel ab zu einer Kamera, die der Monsieur zwei Tische von mir entfernt in der Hand hält. Am laufenden Band fotografiert er die Menschen um uns herum (auch mich), zoomt in, zoomt out. Quasi in Echtzeit erscheinen die Bilder auf dem Bildschirm seines Nachbarn, der eine Live-Blogging-Seite geöffnet hat. Er schreibt mit, was auf der Bühne so geredet wird.

Auch ich bin stolze Besitzerin eines Laptops, den ich jetzt auf dem Tisch vor mir aufbaue und anschließe. Zehn Minuten später ist er mit Hochladen fertig, ich gehe ins Internet. Dem Beispiel anderer Webler folgend surfe ich auf Paulos Blog, checke meine Emails, schaue mir Newsseiten an. „Das Problem der Vortragenden hier ist, dass sie mit dem gesamten Internet konkurrieren“, hatte einer der Technikfreaks beim vorherigen Vortrag zu mir gesagt. Und es stimmt, viele von uns starren konzentriert auf ihren Bildschirm, scheinen in ihrer eigenen Welt. Auch ich. Bis sich meine Maus auf dem Bildschirm von einem Zeiger in eine Sanduhr verwandelt – und so bleibt!

Ich warte, warte und warte. Eine Viertelstunde später gebe ich auf, starte den PC neu. In dem Moment hüpft Paulo von der Bühne, ich klappe schnell den Schleppi zu. Hektisch packe ich meine Sachen zusammen, verheddere mich beim Aufstehen in einem der vielen Netzwerkkabel um mich herum, schaffe es, meinen Fuß aus dem Kabel zu entwirren, ohne meine Tasche samt Schleppi auf einen der Internetfreaks oder den Boden zu schmeißen, und sause auf den Schriftsteller zu. Fragestunde mit Radio-Mikro.

Zwei Stunden später. Ich stehe in der Start-Up-Lounge. Gegenüber von mir: Jason und Laurent von Viewdle. Sie erklären mir ihr hochmodernes Video-Search-Programm. „Das kann man sogar auf dem Handy einsehen“, meint Laurent. „Auch auf meinem?“ frage ich zum Scherz und zeige das Prachtstück. Lustig finde das jedoch nur ich – lachend starre ich in fassungslose Gesichter.

Spätabends um zehn. Mit ein paar anderen LeWeb08-Teilnehmern stehe ich im Nordwesten von Paris, vor einem Restaurant. „Wo ist denn die Porte Maillot?“ fragt mich einer von ihnen. Ich zücke mein hochmodernes Stadtkartensystem, provoziere die Google-Maps-Frage. Den Neid kann ich verstehen.

L.

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About Lisa (ich selbst)

Huhu! Ich bin Lisa. Seit 2005 wohne ich nun im schönen, kleinen Paris. Schön ist's hier, nette Leute gibt's und viele lustige Dinge passieren. Aber - lest doch einfach selbst... L.