Das Worst-Case-Szenario auf der Autobahn…

…erlebte ich am Freitag Abend mit meiner Mitfahrgelegenheit von Paris über Köln nach Münster. Doch Hartmuth Mehdorn was watching us and sending a Schutzengel – selbst wenn der Schutz nur bis zur nächsten Tanke hielt…

„Wie, wieso sind das denn auf einmal fünf Leute?“ Éric guckt verwirrt in unsere Mitfahrer-Runde. Gemeinsam mit vier anderen Möchtegern-Mitfahrern stehe ich an der Porte de la Chapelle im Norden von Paris. Und genau wie drei der anderen vier Anwärter habe ich einen Platz in Érics Auto von Paris nach Köln reserviert. Wer der Eindringling in unserem Verein ist, ist schnell identifiziert. „Tut mir leid“, meint Éric zu dem Herrn in den 40ern, „aber ich kann wirklich nicht fünf Leute mitnehmen, das ist doch verboten…“

„Aber“, antwortet der kleine Franzose bedröppelt, „meine Mitfahrgelegenheit vor zwei Stunden ist nicht gekommen und ich muss doch Morgen in Köln arbeiten…“ Da zückt einer meiner Gefährten sein Handy und meint: „Nimm doch die Mitfahrgelegenheit um neun, warte, ich hab hier die Nummer…“

Die Porte de la Chapelle ist DER Treffpunkt für Mitfahrgelegenheiten in Paris. Mehrmals pro Woche treffen sich da Fahrer, Mitfahrer oder auch private Mifahrunternehmen (mit extra dafür angeschafftem Kleinbus), um gemeinsam nach Köln zu düsen. So kennen sich schon viele der Fahrer und Mitfahrer, haben teilweise Freundschaften geschlossen. Wer jedoch wie ich den Erstkontakt sucht, findet ihn über Seiten wie mitfahrgelegenheit.de.
„Für mich ist das eine super Möglichkeit, meine Reisen zu finanzieren“, erzählt Éric, als wir schließlich im Auto sitzen und in Richtung Autobahn rollen. „Außerdem lernt man da nette Leute kennen!“ Éric wohnt eigentlich in Köln. Dort hat er früher die Woche über gearbeitet und ist am Wochenende zu seiner Frau in Paris gefahren. Jetzt hat die ein Kind bekommen, deswegen bleibt Éric nun die meiste Zeit in Paris und pendelt am Wochenende nach Köln.

Gebürtig kommt Éric aus Kamerun, und zwar dem französisch-sprachigen Teil (es gibt auch einen englisch-sprachigen). Nach Deutschland ist er gekommen, um BWL zu studieren. Später will er jedoch wieder in sein Land zurück. „Dann werde ich Präsident“, flachst er rum, „und schmeiße alle ausländischen Unternehmen aus dem Land. Dann können endlich auch wir von unseren Bodenschätzen profitieren.“

Eine halbe Stunde nach Abfahrt liege ich zufrieden in meinem Beifahrersitz, höre dem CD-Player und Éric bei Congolesischen Gesängen zu. Auf der Hinterbank sitzen außerdem eine Deutsche, ein Algerier und ein etwas älterer Tunesier. Letzterer versteht kein Deutsch, weswegen Vorletzterer ihm immer wieder die arabische Übersetzung zuschreit (die Ohren des älteren Monsieur sind entweder nicht ordentlich geputzt oder aber wollen nicht mehr recht funktionieren…).

Gerade will ich mich am Gespräch beteiligen, da ertönt auf einmal ein schlackerndes Geräusch. „Uiuiui…das ist der Motor“, meint Éric, fährt auf den Seitenstreifen, hält an und stellt – bevor ich irgendwie reagieren kann – den Motor aus. Im Wagen ist Stille eingekehrt. Éric wartet ein paar Sekunden, dreht dann den Zündschlüssel. Es ertönt ein kurzes Quietschen, das sofort darauf abstirbt. „Sch…!“ stößt der Kameruner hervor. „Das kann ja wohl nicht wahr sein.“Draußen regnet es in Strömen. Wir sind inzwischen kurz vor der Ausfahrt Köln-Efferen/Hürth angekommen. „Äh…hat irgendjemand von Euch ein deutsches Handy? Und ist irgendjemand von Euch im ADAC?“ fragt Éric in die Runde. Eine von uns zückt ihr Handy, ansonsten schütteln alle den Kopf. Die nächsten 20 Minuten stellt Éric zum ersten Mal in seinem Leben ein Warndreieck auf, wir Mechanik-Honks versuchen vergeblich, den Motor wieder zum Laufen zu bringen und Éric kann keinen seiner Freunde erreichen, die uns aus der Patsche helfen sollen. Schließlich sagt er: „Ich glaube, da vorne ist eine Notruf-Säule, ich lauf jetzt mal dahin…“ Doch schon zwei Minuten später sitzt er unverrichteter Dinge wieder im Auto, vor Kälte fröstelnd, da er natürlich auch keine Jacke dabei hat. So hüpfe ich schließlich todesmutig zur 500 Meter entfernten Säule, beschreibe nach 10 Minuten Warteschleife der Dame am anderen Ende der Leitung unsere Notlage. Die sagt, sie schicke den ADAC los und meint, wir sollten das Auto sichern und uns hinter die Leitplanke stellen.

Kurz darauf jogge ich wieder in Richtung Auto. Und während ich mich noch frage, wie zum Teufel wir Éric dazu bekommen sollen, sich im dünnen Pulli hinter die Leitplanke zu stellen, zieht ein weiteres Auto rechts rüber auf den Seitenstreifen und ich entgehe um 30 Zentimeter dem Umfahr-Tod. Geschockt vor mich hinschimpfend laufe ich zunächst weiter in Richtung unseres Wagens, halte schließlich doch inne und schaue zu meinem Fast-Killer. Der verwandelt sich zum Retter und aus dem Auto steigt ein Angestellter der Deutschen Bahn! In vollem Kostüm kommt der wohl gerade von der Arbeit, fragt, was los ist. Als er den Schadensbericht hört, fragt er kurz: „Opel?“ Und als Éric ja sagt, grinst unser Retter nur verstehend. „6-Zylinder?“ fragt er weiter und liegt richtig mit seiner Vermutung. Nach einem kurzen Blick auf den Motor, meint der Gesandte Hartmuth Mehdorns: „Ist wahrscheinlich der Anlasser. Ich schlepp Euch erstmal ab bis zur nächsten Tanke und dann könnt ihr ja da auf den ADAC warten.“

So holen wir das Warndreieck und unseren kleinen Tunesier zurück ins Auto (Letzterer hatte zwischenzeitlich sein Glück als Tramper versucht), warten nochmal zehn Minuten in der Warteschleife der Notrufsäule zum Bescheid Geben und stehen schließlich wohlauf mit unserem kaputten Auto an der nächsten Tankstelle. Dort wartete Éric mit der anderen Deutschen auf den ADAC, der Tunesier, der Algerier und ich machen uns auf in Richtung Köln Hauptbahnhof.

Weder der ADAC, noch die Deutsche Bahn bringen Éric (der nach Dortmund muss) und mich jedoch ans Ziel – das Auto hat wohl einen Motorschaden und mein letzter Zug nach Münster ist bereits davongerauscht. So quartiere ich mich schließlich für eine Nacht im Backpackers in Köln ein und denke mir nur: Vielleicht setze ich das nächste Mal ja doch wieder auf Hartmuth and friends…

L.

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About Lisa (ich selbst)

Huhu! Ich bin Lisa. Seit 2005 wohne ich nun im schönen, kleinen Paris. Schön ist's hier, nette Leute gibt's und viele lustige Dinge passieren. Aber - lest doch einfach selbst... L.

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