Wenn Dir ein paar Männer aufs Dach steigen…

und darauf sitzen bleiben, ist das im besten Fall belustigend, sorgt im schlimmsten Fall  für Überschwemmungen. Aber naja, Hauptsache es ist was los, auf meinem Dach in der Mitte von Paris.

Es ist halb acht und ich wache auf. Das liegt nicht etwa an meinem Radiowecker. Nein, seit ein paar Wochen kann ich diesen Strom sparen. Ich habe einen natürlichen Wecker. Die Bauarbeiter. Auf meinem Dach.

Da geht es rund ab früh morgens. Sie springen beschwingt von einem Teil meines Daches (unter dem ich ja direkt wohne) zum anderen, rufen sich laut irgendetwas in einer unidentifizierbaren Sprache zu, und aus ihrem Kofferradio tönt in voller Lautstärke Rihanna. Ab frühmorgens. Was vielleicht das Tanzen, äh, Springen erklärt.

Und nur mal vorab, liebe Damenwelt: Nein, nicht jeder Bauarbeiter sieht so aus wie der Fensterputzer in der Cola-Light-Werbung. Deshalb ist es auch nur bedingt angenehm, wenn man gefühlt sein gesamtes Leben mit einem halben Dutzend von ihnen teilt. Die immer mal wieder gerne vor meinem Dachfenster stehenbleiben und reingucken. Schamlos. Über Wochen hinweg.

Zugegeben, drinnen sieht es gerade auch eher interessant aus. Von der täglich zu beseitigenden Wüste Gobi in meinem Schlafzimmer (Dachbalken sind ja was schönes.. bis durch die Lücken der Staub rieselt), bis hin zum Geröllkanyon in meinem Kabuff, das ja nun nicht isoliert ist – als die Herren die bisherigen Ziegel kaputthauten, bröckelte es also fröhlich hinein in diesen durchaus gut organisierten und aufgeräumten Stauraum.

Auch akustisch kann sich das Ganze durchaus sehen lassen. Außer dem Dachtanz wurde ich mit langen und durchdringenden Perioden von Presslufthammergesang beglückt. Gar nicht zu sprechen von den zahlreichen Nägeln, die die entzückenden Geschöpfe auf meinem Dach in die neuen Leisten reinhämmern mussten. Also, nicht so wie man jetzt ein kleines Nägelchen für ein Bildchen in die Wand reinhämmern würde. Nein, das kam akustisch eher einem Nashorn gleich, das mit voller Pulle gegen eine Wand rennt. Immer und immer wieder. Gerne auch genau dann, wenn man mal mit einem Fernsehsender Live On Air ist. Damit die Moderatoren und Zuschauer auch was davon haben.

Dabei gabs zum Glück bisher auch gar keine Probleme. Naja, fast keine. Denn die alten, meiner Meinung nach ja noch durchaus funktionstüchtigen, Dachziegel haben die Herren Adonis ja nun entfernt und provisorisch durch eine Plastikplane ersetzt, die anscheinend hervorragend isolieren soll (jedenfalls besser, als die bisher nicht vorhandene Plastikplane vor dem Eingriff der Bauarbeiter). Angeblich auch ohne neue Dachziegel. Denn die sind bisher nicht drauf. Nun gut, aber das sei Ihnen verziehen – gut Ding‘ will schließlich Weile haben, wie meine Oma schon immer sagte. Ein neuer Dachziegel pro Tag ist also schon mal eine ganz gute Quote, finde ich. Jetzt müssen sie diese Quote nur noch erreichen.

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Da liegen sie, die schönen alten Ziegel…

Aber zurück zum Thema. Keine Probleme also. Fast. Bis es regnete. Denn die hervorragende, isolierende Plane auf meinem Dach isoliert anscheinend hervorragend gegen Kälte. Nicht so hervorragend jedoch gegen Regen. Dann regnet es nämlich rein. Wie vergangenes Wochenende. Selbst ich bin dann kurz von meiner ja sonst sehr stoischen Einstellung abgewichen und habe zum Telefonhörer gegriffen.

Wie, da regnet es rein?“ antwortet mir der Dachdecker-Manager. „Ja ja, es tropft halt. Stetig.“ antworte ich. „Aha“, antwortet er. Kurzes Schweigen. „Ja, dann gucken wir uns das mal an.“ „Danke“, sage ich. Und er fügt hinzu: „Naja, aber immerhin ist es jetzt besser isoliert als vorher.“ „Ja“, sage ich. „Bis auf die Tatsache, dass es reinregnet.“ Ein Detail.

Aber sonst ist hier wie gesagt gerade alles Lilalula-Land.

Achso – bis auf ein anderes, kleines Detail.

Um die neuen Ziegel irgendwann in ferner Zukunft auf mein Dach zu legen (ich habe ja die leise Vermutung, dass es Ihnen vielleicht einfach zu gut bei mir gefällt und sie die Ziegel deshalb nicht verlegen (wollen?)), mussten die schönen Herren der Schöpfung wie gesagt neue Leisten anbringen. Die neuen Ziegel werden darauf liegen, also etwas höher als die alten. Deswegen mussten Messieurs kurz mein Velux-Dachfenster ausbauen und dann wieder einsetzen. Damit es etwas höher liegt.

(Kleines, eigentlich zu vernachlässigendes) Problem: Da ist jetzt ein Loch. Also zwischen der ursprünglichen Stelle, auf der der Fensterrahmen auflag und der Stelle, wo er jetzt liegt, also höher. Da ist so eine Spalte.

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Die Spalte. Zwischen Holzfensterrahmen und Wand.

Sicher nichts, was man in einem fünfminütigen Gespräch nicht klären könnte, denke ich mir. „Monsieur, da ist so eine Spalte zwischen meiner Wohnung und dem Fenster“, sage ich also zu einem der nicht mehr ganz jungen Götter auf meinem Dach. Der grinst mich an, als ob er mir gerade das Ja-Wort gegeben hätte und sagt: „Madame, das ist nicht unser Problem – diese Lücke müssen Sie schon auffüllen.“ Schweigen. Hab ich das vielleicht gerade falsch verstanden?, frage ich mich. Mimik und Worte passten da ja irgendwie nicht zusammen. Und schließlich sind wir ja nun beide keine Muttersprachler.

Ich frage noch mal. „Aber – das ist doch nicht meine Verantwortung, ich muss doch nicht hinter Ihnen herräumen.“ Wieder dieses Himmelslächeln. „Nein, Madame, wir haben dafür doch gar nicht die richtigen Geräte, das müssen Sie schon machen.“ Ich gucke ihn an wie Bahnhof. Nicke kurz und sage: „Ok, ich spreche dann mal mit ihren Chef.“ „Oui, Madame“, antwortet er. Wieder dieser Siebter-Himmel-Blick.

Eine halbe Stunde später bestätigt mir der Chef dann doch, dass die Herren Bauarbeiter die Lücke füllen werden. Wie gesagt, Probleme gibt’s bei dieser Baustelle nicht. Es ist alles Lilalula-Land im Lisaland. Und auf absehbare Zeit wird das wohl auch so bleiben.

L.